Gouverneurswahlen: Machtpartei verliert deutlich an RückhaltSchneider, Prof. Dr. Lic. Eberhard © Schneider

Gouverneurswahlen: Machtpartei verliert deutlich an Rückhalt

Am 9. September wurden in Moskau und in weiteren 21 Föderationssubjekten die Gouverneure gewählt.[1] Im ersten Wahlgang siegten in 16 Föderationssubjekten die Kandidaten der Machtpartei „Einiges Russland“ (ER) mit Werten von 53,6 % (Kraj Altaj) bis 81,59 % (Gebiet Magadan).

In der Stadt Moskau wurde der Amtsinhaber Sergej Sobjanin mit 70,02 % bestätigt. Im Gebiet Orjol gewann der kommunistische Kandidat mit 83,55 % und im Gebiet Omsk der Kandidat der Partei „Gerechtes Russland“ mit 82,5 %. In vier Föderationssubjekten überwand im ersten Wahlgang kein Kandidat die vorgeschriebene 50-Prozent-Hürde. In zwei von diesen vier Gebieten lagen die Kandidaten von „Einiges Russland“ vorn (Kraj Primorje und Gebiet Wladimir), in der Republik Chakassien der Kandidat der „Kommunistische Partei der Russischen Föderation“ (KPRF) und im Gebiet Chabarowsk der Kandidat der national-populistischen „Liberal-demokratischen Partei Russlands“ (LDPR).

In diesen vier Föderationssubjekten wurde ein zweiter Wahlgang erforderlich, bei dem die relative Mehrheit für den Sieg reicht. Die Wahlbeteiligung lag zwischen 28,9 % (Kraj Krasnojarsk) und 66,5 % (Gebiet Kemerowo), in der Stadt Moskau betrug sie 30,36 %. In den Föderationssubjekten traten zwischen 3 (Kraj Krasnojakrsk) und 6 Kandidaten (Gebiete Moskau, Woronesch und Kemerowo) zur Wahl an.

Dass nicht alle Kandidaten der Machtpartei im ersten Wahlgang gewannen, ist wahrscheinlich eine Folge der geplanten Erhöhung des Renteneintrittsalters, über die in der August-Kolumne berichtet wurde. Die Absenkung der ursprünglich geplanten Erhöhung des Renteneintrittsalters für Frauen von 63 auf 60 Jahre (bisher 55 Jahre) durch Präsident Waldimir Putin[2] half offensichtlich nur wenig.

In drei der oben genannten Föderationssubjekten fanden am 23. September die Stichwahlen statt. Im Gebiet Chabarowsk gewann der LDPR-Kandidat haushoch, im Gebiet Wladimir siegte ebenfalls der LDPR-Kandidat. In der Republik Chakassien findet die Stichwahl erst am 7. Oktober statt. Der beim ersten Wahlgang unterlegene ER-Kandidat und amtierende Gouverneur hat sich dort inzwischen selbst aus dem Rennen genommen. Im Kraj Primorje gewann bei der Stichwahl sehr knapp der Kommunist Andrej Ischtschenko. Der unterlegene ER-Kandidat und amtierende Gouverneur Andrej Tarassenko griff dann zum Vorwurf der Wahlfälschung, weswegen die Stichwahl von der regionalen Wahlkommission für ungültig erklärt wurde und nachzuholen ist, was im Dezember geschehen soll.

Die Experten der Stiftung „Liberalnaja missija“ („Liberale Mission“), deren Präsident der renommierte Wissenschaftliche Leiter der Moskauer „Nationalen Universität-Hochschule für Wirtschaft“ Jewgenij Jassin ist, stellten in ihrer Wahlanalyse eine „eindeutige Änderung der gesellschaftlichen Einstellungen“ fest, welche die „Voraussetzungen für eine ausgereifte neue Transformation des parteipolitischen Systems“ schaffe.[3]

Die Leiterin der Analyseabteilung der Moskauer Denkfabrik „Zentrum für politische Technologie“, Tatjana Stanowaja, analysierte am 25. September, dass die Machtpartei bei den Regionalwahlen das schlechteste Ergebnis seit 2007 bekommen habe, was eine „neue Etappe in der modernen politischen Geschichte Russlands“ markiere.[4] Sie sieht einen Grund in der inhaltlichen Leere von „Einiges Russland“ und darin, dass sich Putin mehr für die Außenpolitik interessiere und in der „innenpolitischen Agenda“ schlecht vertreten sei. Putin habe aufgehört, ein „Volkspräsident“ zu sein. Der Kreml sei nicht bereit, der Gesellschaft „irgendeine positive Vision“ anzubieten, „kein Bild der Zukunft, das in seiner Welt der außenpolitischen Megaprojekte eingeschlossen ist“.

Die Regionalwahlen haben laut Stanowaja gezeigt, dass die russische Gesellschaft bereit sei, ihre „Probleme ohne Putin“ zu lösen. Das bedeute, dass sich eine „neue politische Forderung“ formiere, gefolgt von einem „neuen politischen Vorschlag, der den Präsidentenkurs zwangläufig alternativer und zunehmend weniger einvernehmlich“ mache.

[1]              http://www.aif.ru/politics/russia/rezultaty_vyborov_glav_regionov_rossii_9_sentyabrya_spravka

[2]              https://lenta.ru/brief/2018/08/30/postpensioners/

[3]              http://www.liberal.ru/upload/files/06_monitoring_2018_itogi.pdf

[4]              https://carnegie.ru/commentary/77326

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