Belarus als Brücke der Verständigung zwischen Europa und EurasienUnkauf, Urs 2017 bild © Unkauf

Belarus als Brücke der Verständigung zwischen Europa und Eurasien

Von Matthias Dornfeldt und Urs Unkauf

Am 28. und 29. März fand in den Räumlichkeiten der Nationalen Akademie der Wissenschaften von Belarus eine internationale Konferenz statt. In Kooperation mit dem Auslandsbüro Belarus der Konrad-Adenauer-Stiftung wurden zahlreiche internationale Gäste, darunter Vertreter renommierter europäischer Universitäten und Institute, nach Minsk eingeladen.

Unter dem Arbeitstitel „Belarus in den aktuellen geopolitischen und geoökonomischen Prozessen“ diskutierten die Experten in fünf Panels die gegenwärtigen Herausforderungen der Republik Belarus im internationalen und makroökonomischen Zusammenhang. Die Konferenz in der belarussischen Hauptstadt wurde simultan auf Russisch und Englisch gedolmetscht.

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Geostrategisch verfügt Belarus zwischen Russland einerseits, den EU-Staaten Polen, Lettland und Litauen sowie der umkämpften Ukraine andererseits über eine besondere Stellung. Als strategischer Verbündeter der Russischen Föderation, mit der sich Belarus 1996 zum Unionsstaat zusammengeschlossen hat, wendete sich Belarus nach weitgehender Abschaffung der Sanktionen in den vergangenen Jahren zunehmend auch der EU zu.

Auf dem XV. Minsk-Forum im November 2017 wurden unter Beteiligung der Außenminister Gabriel und Makej bedeutende Weichenstellungen zur vertieften bilateralen Zusammenarbeit insbesondere zwischen Belarus und Deutschland vorgenommen.

Auf der Konferenz waren Wissenschaftler aus Polen, Litauen, Ungarn, Armenien, Deutschland, dem Vereinigten Königreich und der Ukraine vertreten. Dr. Vyacheslav Danilovich, Direktor des Instituts für Geschichte der Nationalen Akademie der Wissenschaften, eröffnete die Konferenz am 28. März 2018 mit einem Ausblick auf die verschiedenen Aspekte der Tagung und die aktuelle Relevanz der belarussischen Diplomatie – man denke nur an die vielzitierten Minsker Abkommen I und II zur Stabilisierung der Situation in der Ostukraine. Dabei erwähnte er die besondere Rolle der Republik Belarus als Brücke der Verständigung zwischen den Staaten der EU und der Russischen Föderation.

Anschließend folgte ein Grußwort von S.E. Peter Dettmar, dem außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Belarus. Botschafter Dettmar betonte die wichtige Verbindung zwischen Diplomatie und Wissenschaft und die sich daraus ergebenden Synergien, die einen wichtigen Beitrag zur Lösung von aktuellen Problemen der internationalen Politik ermöglichen.

Während der Konferenz waren auch weitere Vertreter des Diplomatischen Corps in Minsk zugegen, so beispielsweise Vertreter der Botschaften der Russischen Föderation und der Ukraine. Dr. Wolfgang Sender, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung, zeigte sich erfreut, bereits zum zweiten Mal als Kooperationspartner der Akademie der Wissenschaften einen interdisziplinären und multinationalen Teilnehmerkreis in Belarus begrüßen zu können.

Der Eröffnung und den Grußworten folgte das erste Panel zur Lage von Belarus im Kontext der regionalen und internationalen Beziehungen.

Dabei wurden Indikatoren des Erfolgs, aber auch mögliche Risiken für das internationale Engagement von Belarus identifiziert. Zugleich wurde dieses aktive Engagement im System der internationalen Beziehungen als nationales Kerninteresse verortet.

Mit den Visegrád-Staaten besteht eine unterschiedliche Intensität der bilateralen Beziehungen, wobei Polen eine wichtige Stellung einnimmt, gefolgt von Tschechien, der Slowakei und zuletzt Ungarn. Um auf die Realitäten einer multipolaren Welt zu reagieren, bedarf es geeigneter diplomatischer Strategien, um Schnittmengen zwischen nationalen Interessen und internationaler Verantwortung zu identifizieren und mithilfe geeigneter Kooperationspartner die notwendigen Schritte zu implementieren.

In wirtschaftlicher Hinsicht stellt die weitere Integration in die Eurasische Wirtschaftsunion einen wichtigen Aspekt der belarussischen Handlungsoptionen dar.

Die Schaffung gemeinsamer Märkte für Erdöl, Erdgas und Elektrizität innerhalb der kommenden Dekade versprechen ein hohes Potential an notwendigen wirtschaftlichen Entwicklungsimpulsen. Damit verbunden stellt sich aus Sicht von Belarus die Frage einer geostrategischen Perspektive zur Gestaltung dieser Integrationsprozesse, um unilaterale und sektorale Abhängigkeiten zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Waren-, Dienstleistungs- und Personenfreizügigkeit innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion waren ebenfalls Gegenstand der Diskussionen.

Das dritte Panel beschäftigte sich mit der Entwicklung ausgewählter bilateraler Beziehungen und multilaterale Initiative. Die Erwartungen von der chinesischen „One belt, one road“-Initiative, auch als „Neue Seidenstraße“ bezeichnet, sorgten für rege Debatten. Ebenfalls wurden die Beziehungen mit den USA und Polen thematisiert. Ferner gab es Einblicke in die Beziehungen mit Syrien, Irak und der Islamischen Republik Iran, wobei die Bedingungen für Kooperationen in ausgewählten Bereichen eine Erörterung fanden.

Den zweiten Konferenztag eröffneten die Autoren dieses Beitrags mit einer Analyse der Perspektiven für die internationale Energiesicherheit von Belarus, auf deren Basis auch konkrete Handlungsempfehlungen für die Entscheidungsträger in Minsk formuliert und diskutiert wurden.

Das Pipelineprojekt Nord Stream 2 ist dabei als Ergänzung, keinesfalls jedoch als Bedrohung des Transits von Erdgas durch die über Belarus verlaufende Jamal-Pipeline zu bewerten.

Für das belarussische Nuklearprojekt in Ostrovets wird die Schaffung einer Vertrauensbasis mit dem Nachbarland Litauen den zentralen Faktor für den Erfolg des Projektes bilden, selbst wenn technische und wirtschaftliche Indikatoren durchweg für eine profitable Realisierung sprechen.

Belarus steht somit an einer Schlüsselposition für die europäische Energiesicherheit und die Versorgung mit fossilen Energieträgern aus dem Osten. Die Beziehungen zwischen Belarus und der WTO wurden am Beispiel von Entwicklungen auf den Energiemärkten betrachtet. Der gesteigerte Stellenwert des nationalen Umweltmanagements vonseiten des Wirtschaftsministeriums ist in diesem Kontext auch als Beitrag zur regionalen Verantwortung zu verorten.

Schließlich stellt sich mit der Frage der Ausgestaltung von Digitalisierung, insbesondere auch im Energiesektor, die Herausforderung der Erschließung neuer Wirtschaftszweige und damit für Potentiale volkswirtschaftlichen Wachstums. Auch die neueren Entwicklungen in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit fanden Beachtung in den Diskussionen.

Gegen Nachmittag fand in einem Expertenkreis eine erste Auswertung der Konferenz statt. Die geplante Publikation der Konferenzbeiträge steht in dem wichtigen Kontext einer Intensivierung der wissenschaftlichen Beziehungen und des akademischen Austausches der Republik Belarus auf multilateraler Ebene, aber auch insbesondere in Bezug auf die bilateralen Beziehungen mit der Bundesrepublik.

Die Akademie der Wissenschaften plant die Publikation der Beiträge in einem bilingualen Konferenzband. Auch im kommenden Jahr soll das Kooperationsprojekt im Hinblick auf neue Interaktionsformen der internationalen Politik und wachsenden globalen Herausforderungen weitergehen. Gerade in Zeiten wieder zunehmender Spannungen zwischen Ost und West auf wirtschaftlicher, politischer und militärischer Ebene wird es essentiell sein, Plattformen der Moderation zu schaffen, innerhalb derer gemeinsame Interessen und die Bewahrung des Friedens in Europa oberste Priorität genießen. Belarus ist in diesem Sinne prädestiniert, eine solche Rolle zukünftig noch stärker auszufüllen.

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